Samstag, 17. Dezember 2011

Subkultur in meiner Stadt - schwarz ausgehen in Bielefeld

Dafür dass es Bielefeld laut einer Verschwörung (http://de.wikipedia.org/wiki/Bielefeldverschwörung) gar nicht gibt, hat die ostwestfälische Metropole am Teutoburger Wald doch erstaunlich viel zu bieten, was das Grufti-Herz höher schlagen lässt. Nachdem der weit über die Grenzen der Stadt bekannte Musikclub PC69 im Jahr 2003 seine Pforten schloss, befand sich die schwarze Szene zunächst in Schockstarre. Nach und nach kamen jedoch neue Angebote hinzu und heute kann man als Liebhaber düsterer und experimenteller Klänge aus einer ganzen Reihe an Clubveranstaltungen wählen.

Im Rahmen des Gothic Friday auf  http://www.spontis.de/ hier ein paar Tipps, wo man als Goth in Bielefeld Spaß haben dürfte:

Da wäre zunächst der Ringlokschuppen, in dem es immer wieder freitags finster zur Sache geht. In dem historischen Gebäude mit drei Veranstaltungsflächen trifft sich das, was man heute unter schwarzer Szene versteht. Cyber, Mittelalterfreaks, Emos und ein paar Gruftis bestimmen das Bild und schwingen vor allem zu elektronischen Beats das Tanzbein. Regelmäßig verirren sich bunte Gäste aus den Nachbarhallen auf den schwarzen Floor und trauen sich auch mal auf die Tanzfläche, wenn sich der DJ zu Marilyn Manson, ASP oder anderen massenkompatiblen Titeln hinreißen lässt. Neuerdings lautet das Motto jeden dritten Freitag im Monat Pop & Wave. Dann schwelgt das dunkel angehauchte Ü30-Publikum zu Klängen von Visage, Soft Cell, The Cure und Depeche Mode in Erinnerungen. A propos Depeche Mode: Dreimal im Jahr finden im Ringlokschuppen große DM-Partys statt.

Immer wieder freitags: Szene-Stelldichein im Ringlokschuppen
   
Wer eine größere musikalische Abwechslung sucht, sollte mal im Movie vorbeischauen. Aus dem ehemaligen Kino am Hauptbahnhof ist ein atmosphärischer Club mit gemütlichen Barbereich entstanden, in dem alle zwei Wochen sonntags das Motto "aTRocKX - The dark Exit" lautet. Hier spielen die DJs Feindflug und Combichrist genau so gerne wie Placebo und Muse oder auch alte Szene-Perlen von Shock Therapy und Bauhaus. Weil die fleißigen Bielefelder montags ausgeschlafen zur Arbeit erscheinen wollen, ist es leider meistens nicht besonders voll, so dass man sich vor allem im Discoraum schon mal etwas verloren vorkommt.
Wochenausklang: AtrocKX im Movie
In Bielefeld lässt sich ein Phänomen beobachten, das sich ganz sicher auch in anderen Städten beobachten lässt: Es gibt immer mehr kleine Splitter-Veranstaltungen, die unregelmäßig stattfinden und nur einen kleinen Kreis eingefleischter Fans anziehen. Das hat zwei Gründe: Zum einen wird auf den großen schwarzen Partys vor allem Krawall-Techno für Cyber gespielt, was vielen älteren Gothics auf den Keks geht, zum anderen haben sich in der schwarzen Szene in den vergangenen Jahren so viele Unter-Szenen gegründet, die mitunter gar nichts mehr miteinander anfangen können.

Ein Beispiel dafür ist die Partyreihe "Guitarmen of the Apocalypse", die -wie der Name schon sagt - vor allem auf Gitarrenklänge setzt. Auf DJ Peter Os. Plattenteller drehen sich Batcave-Scheiben von Alien Sex Fiend und Virgin Prunes ebenso wie Post-Punk-Bands a la Editors, O. Children oder Interpol. Und auch der ein oder andere Minimal-Hit gehört zum Programm. Treffpunkt ist alle zwei Monate an einem Samstag im Falkendom, einem etwas heruntergekommenen Jugendkulturzentrum.
Düsterer Gitarrensound: Editors hört man gerne im Falkendom
Das wohl mutigste, weil ausgefallenste DJ-Set liefert in unregelmäßigen Abständen die Party NeonWaves ab. Zurzeit im Bunker Ulmenwall beheimatet, kommen hier Liebhaber obskurer 80er-geprägter Underground-Musik zusammen. Oldschool-EBM trifft Minimal trifft Batcave trifft New Wave. Statt Cyberloxx kann man in dem kleinen unterirdischen Club mit etwas Glück noch den ein oder anderen Iro bewundern. Und auf den Lederjacken trägt man stolz seine musikalischen Vorlieben zur Schau - Neubauten-Männchen und Joy Division-Schriftzug sind hier immer noch en vogue.
Mutige Playlist: Die Neon Waves-Party
Über mehrere Generationen  hat das oben bereits erwähnte legendäre PC69 die musikalische Sozialisation vieler Bielefelder geprägt. Freitags trafen sich dort regelmäßig die Nachtschattengewächse der Region, um im Patchouli-Nebel ihre Tänze zu zelebrieren. Aus den Punks, Gruftis und Wavern sind Beamte, Kaufleute oder Hausfrauen geworden. Zweimal im Jahr kommen sie nun in der Hechelei zusammen, um ihre Pikes zu entstauben und beim PC69-Revival-Wochenende die alten Zeiten wieder aufleben zu lassen. Unoffizielles Motto: Wenn aus Gruftis Gruftis werden ... Weil die Party so beliebt ist, empfiehlt sich der Kartenvorverkauf, der bereits Monate vorher auf www.so-wie-es-damals-war.de kundgetan wird.
Weil früher eben doch alles besser war: PC69-Party in der Hechelei
Einmal im Jahr findet in Bielefeld das Sparrenburgfest statt. Dann halten Gaukler und Dudelsackspieler rund um Bielefelds Wahrzeichen Einzug und manches Szene-Burgfräullein kriegt vor Aufregung feuchte Hände. Denn natürlich ist dieses Mittelalterspektakel ein gesellschaftlicher Höhepunkt im schwarzen Szene-Leben der Stadt. Ein Wochenende lang prostet man sich mit Met zu und genießt den tollen Blick über den Teutoburger Wald. Abends laden der Ringlokschuppen oder das Movie zu szeneaffinen Partys wie dem Burg-Wave ein. Ein Besuch der Sparrenburg lohnt allerdings das ganze Jahr über.
Wallfahrtsort fürs Burgfräullein: Die Sparrenburg
Wer in Bielefeld mit Stil essen gehen möchte, dem sei das Glück und Seligkeit empfohlen. Das Restaurant befindet sich in einer ehemaligen neugotischen Kirche, die 2004 zu einem Gastro-Betrieb umgebaut wurde. Da macht auch der Goth von Welt große Augen, wenn er den Prachtbau betritt. Die Architekten haben wahrlich ein glückliches Händchen bewiesen, denn das Glück und Seligkeit punktet allein schon durch sein ungewöhnliches und geschmackssicheres Innenleben. Modernes Design trifft auf gotische Architektur. Auf der Karte gibt es Fleisch- und Fisch-Gerichte genau so wie Pizzen und Salate. Unbedingt den kanadischen Lachs probieren! Auf den Partys im Glück und Seligkeit dürfte Freunden schwarzer Musik allerdings der Appetit vergehen. Dann kommt in der ehemaligen Kirche Bielefelds Haute Volée zusammen, um bei House und Blackbeats sich selbst zu feiern.
Speisen mit Stil: Das Glück und Seligkeit
Auch im Internet-Zeitalter gibt es noch Läden, die man durch eine Tür betritt. In der Arcade in Bielefeld befindet sich die Underground-Factory, in der auf zwei Etagen Gewandungen, Schuhe und Schmuck aus den schwarzen Modefabriken angeboten werden. Die netten Inhaber helfen gerne weiter, und so lassen sich regelmäßig stahlende Gothic-Lolitas und Gruft-Rocker beobachten, die mit großen Taschen bepackt, die Factory verlassen. Achja, natürlich hat der Laden auch eine Internetseite.

Fazit: Die Szene lebt - und sieht man sich nicht in dieser Welt, dann  sieht man sich in Bielefeld!

1 Kommentar:

  1. Ich bin geplättet ob der beachtlich düsteren Auswahl in einer Stadt, die es angeblich gar nicht gibt. Aber ich weiß es ja besser, denn ich war schon da und fand Bielefeld auch schön. Außerdem mag ich die Ostwestfalen (auch wenn das keiner versteht *haha*).
    Also die NEON WAVES wäre was für mich und auch so eine legendäre PC69-Party. Aber letzteres wird wohl gerade dann, wenn ich oben bin bei euch eher nicht stattfinden. Aber guuuuut schauts aus.

    Das Restaurant gefällt mir auch. Ich war neulich hier in der Nähe von Limburg auch in so einem Kirchenrestaurant. Es war 'sündhaft' teuer (war so ein Nobel-Dekadenz-Etablissement mit übersichtlich angeordnetem Essen auf den Tellern. Aber das Ambiente war unschlagbar - die Preise auch. Das "Glück und Seligkeit" scheint mir sehr viel größer zu sein als das "Himmel und Erde" in Limburg. Aber die göttlich-christliche Namensgebung haben sie gemeinsam ;)

    Liebe Grüße aus Mainz nach BI!

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